Incubus Leben in einer Welt von Superkraft-Nutzern-Chapter 207: Du bist spät

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Chapter 207: Du bist spät

Der Shuttle war nicht groß. Gerade genug Sitze für vielleicht ein Dutzend Passagiere, mit eingebauten Gurten und verstärkten Fenstern.

Die Wände waren in einem stumpfen Grau gehalten, zerkratzt vom Gebrauch, und das Summen des Mana-Kerns unter dem Boden verlieh dem Raum eine sanfte, konstante Vibration – kaum wahrnehmbar, es sei denn, man war still.

Ethan stieg ein und nahm einen Platz im hinteren Bereich. Nicht ganz in der Ecke, aber nahe dran – weit genug, dass er auf beiden Seiten Platz hatte und einen klaren Blick auf die Türen.

Evelyn und Everly folgten einen Moment später und ließen sich auf den Sitzen auf der anderen Seite des Ganges nieder. Nicht direkt neben ihm, aber in der Nähe. Ihre Haltung entspannt, nicht wachsam, sondern lässig.

Draußen war die Basis noch in Bewegung. Kisten wurden von schwebenden Gabelstaplern angehoben, Drohnen navigierten auf vorprogrammierten Pfaden, und Arbeiter bewegten sich mit knapper, fokussierter Dringlichkeit. Jeder tat etwas. Jeder hatte eine Aufgabe.

Es sah normal aus. Aber die Energie war nicht normal.

Zu sauber. Zu effizient. Als ob alle so täten, als wäre nichts vom Skript abgewichen.

Kurz bevor die Shuttle-Türen sich schlossen, drehte sich Ethan leicht, um aus dem Fenster zu schauen.

Einer der aufsichtsführenden Offiziere stand am Rand des Geländes, halb im Schatten eines Kommunikationsturms. Er bewegte sich nicht, sprach nicht, beobachtete sie nur.

Ihre Blicke trafen sich nicht.

Aber die Aufmerksamkeit war deutlich.

Die Türen schlossen sich mit einem Zischen, und die Mana-Platten des Shuttles aktivierten sich mit einem sanften Brummen. Ein leichter Auftrieb hob sie in die Luft, und der Boden entfernte sich in gleichmäßiger Bewegung unter ihnen.

Niemand sprach.

Die Fahrt war nicht lang, aber die Stille ließ sie sich dehnen. Die Studenten sagten nichts. Die Begleiter sagten noch weniger.

Einige versuchten zu schlafen. Andere starrten ausdruckslos geradeaus.

Ethan saß mit locker verschränkten Armen da, seine Augen halb geschlossen, aber darunter wachsam.

Er dachte nicht an den Wald. Nicht direkt.

Er dachte an das, was danach kam.

Als der Shuttle die niedrige Wolkenschicht durchstieß, kam die Skyline der Stadt in Sicht – graue Türme mit goldenen Verzierungen, digitale Banner, die über breite Gebäude flackerten, Luftpatrouillen, die lautlos über den Spitzen kreisten.

Zuhause.

Aber es fühlte sich nicht so an.

Der Shuttle neigte sich nach rechts und tauchte in die kontrollierten Flugbahnen ein. Ein sanfter Ton erklang. Eine Stimme kam über die Sprechanlage, distanziert und routiniert.

"Verarbeitungszone voraus. Bleiben Sie sitzen. Alle Studenten werden für Gesundheitsüberprüfungen und Rückkehrbesprechungen aussteigen. Bitte befolgen Sie alle Inspektionsanforderungen."

Die Stimme verstummte. Die Stille kehrte zurück.

Als sie landeten, öffneten sich die Türen mit einem sanften Zischen. Die Basisplattform war größer als erwartet – militärischer Standard, vollständige Landeplatz-Infrastruktur mit hohen Sichtschutzwänden, die zu beiden Seiten aufragten.

Offizielle warteten draußen. Nicht viele. Gerade genug, um auffällig zu sein. Zwei trugen Abzeichen der Abteilung für Superkraftaufsicht. Die anderen waren eindeutig internes Personal.

Keine Kameras.

Keine Medien.

Nur Stille.

Einer nach dem anderen stiegen die Studenten aus dem Shuttle.

Sie wurden in verschiedene Reihen dirigiert. Die meisten aus Gruppe F gingen nach links, zu den Standard-Verarbeitungsstationen. Medizinische Kontrolle. Energie-Screening. Verhaltensanalyse.

Aber nicht Ethan.

Eine Frau in einem schicken schwarzen Mantel trat vor und rief seinen Namen. "Ethan Nocturne."

Er antwortete nicht.

Er bewegte sich einfach.

Sie erklärte nicht, wohin sie gingen. Sie musste es nicht.

Evelyn und Everly tauschten einen Blick aus, folgten aber nicht. Sie wurden nicht aufgehalten. Sie bewegten sich einfach nicht.

Sie wussten, wohin er ging.

Ein separater Shuttle wartete bereits am anderen Ende der Plattform. Kleiner. Schlanker. Keine Insignien an den Seiten. Die Art, die für Personentransporte höherer Ebene verwendet wurde.

Ethan stieg ohne Widerstand oder Zögern ein.

Das Innere war wärmer. Ruhiger. Hier gab es keine Vibration. Das Mana-Feld war perfekt ausbalanciert.

Der Shuttle hob lautlos ab.

Keine Durchsagen, keine Begleitung im Inneren. 𝐟𝗿𝐞𝚎𝚠𝐞𝚋𝕟𝐨𝚟𝐞𝕝.𝕔𝕠𝚖

Nur das leise Summen von Luxussystemen bei der Arbeit.

Es dauerte nicht lange, bis sie das Anwesen erreichten.

Das Nocturne-Herrenhaus stand genau dort, wo es immer gestanden hatte, am Rande eines privaten Bezirks, halb umgeben von dichtem Grün und schwachen illusionären Schutzzaubern, die neugierige Blicke fernhielten.

Die Tore öffneten sich, bevor der Shuttle überhaupt aufsetzte.

Ethan trat auf den Steinweg, der zum Haupteingang führte.

Der Wind war ruhig. Die Bäume bewegten sich kaum. Der Himmel war blaugrau mit Abendnebel, der sich an den Kanten des Daches entlangschlängelte.

Er hielt nicht an, um es zu bewundern.

Die Vordertüren standen bereits offen.

Im Inneren fühlte sich das Herrenhaus nicht laut an.

Aber es fühlte sich auch nicht friedlich an.

Es gab Bewegung.

Nicht hastig. Nicht chaotisch, nur eine ruhige Stille, die ihn leichter fühlen ließ.

Lilith stand am Rand des Flurs, in Schwarz gekleidet, keine Schürze, keine Alltagskleidung, nur ein langer, maßgeschneiderter Mantel, der ihre Figur mit Eleganz und Autorität umhüllte.

Seraphina war an der Treppe, ein Datenpad in der Hand, eine Ferse auf die zweite Stufe gestellt, als hätte sie mitten im Auf- und Abgehen innegehalten.

Ihre Augen verließen den Bildschirm nicht, aber in dem Moment, als Ethan eintrat, tippte sie ihn aus.

Liliana lehnte an einer Wand zur Rechten, die Arme verschränkt, noch immer in teilweiser Kampfuniform. Ihre Stiefel waren staubig. Sie hatte sich nicht umgezogen.

Und Isabella?

Sie stand am nächsten.

Der Shuttle setzte ohne einen Stoß auf. Sanft. Leise.

Ethan trat in die Abendbrise hinaus, das Gewicht der vergangenen Tage noch immer in seiner Brust verborgen, äußerlich ruhig, mit sicherem Schritt.

Er zögerte nicht.

Musste er nicht.

Der Weg zur Haustür war klar, gesäumt von schwachen Lichtern, die aufflackerten, als er vorbeiging.

Irgendwo hinter ihm blieben die Mondschattenzwillinge ein paar Schritte zurück, respektvoll, aber in der Nähe. Mei und Sera waren am Kontrollpunkt ihren eigenen Weg gegangen.

Er ging die letzten Stufen allein hinauf.

Die Tür öffnete sich, bevor er sie erreichte.

Lilith stand dort, ihr silberweißes Haar fing das warme Licht des Flurs ein, ihr Ausdruck ruhig – aber ihre Augen, tief karmesinrot, flackerten für eine Sekunde zu lange.

Nicht kalt. Nicht scharf.

Einfach voll.

Eine Art von Fülle, die entsteht, wenn man zusieht, wie der geliebte Mensch endlich nach Hause kommt.

Sie trat zuerst vor. Nicht hastig. Nicht steif. Nur eine fließende Bewegung, als sie die Hand ausstreckte und sanft über Ethans Wange strich.

"Du bist spät dran", murmelte sie, ihre Stimme leise, sanft und ohne Schärfe.

Dann bewegte sich ihre Hand zu seinem Hinterkopf – Finger, die sich leicht durch sein Haar schlängelten – und sie hielt ihn dort für nur einen Moment.

Nicht fest. Nicht verzweifelt.

Einfach lange genug.